Dienstag, 4. Juni 2019

Warum sind andere immer schneller? (Teil 3 - Fahrtechnik)


Fahrtechnik - jetzt wird's spannend!
Gas geben auf der Geraden kann so ziemlich jeder - auch ohne viel Übung. Die Kurven vor uns nach einer Geraden sind aber die interessanteren Streckenteile wo die meiste Zeit gewonnen oder verloren wird. Und trotzdem ist jemand anderes mit gleichem Material auf der Geraden schneller, obwohl Du die beiden vorherigen Teile dieser kleinen Serie gelesen und beachtet hast. Da muss der doch irgendwas gefuscht haben, oder?

Wenn wir mal davon ausgehen daß alle Sportsmänner fair sind und sich an das Reglement halten, könnte es daran liegen daß der andere schon in der Kurve zuvor etwas besser gemacht hat. Die richtige Fahrtechnik in den Kurven ist das Entscheidende im Rennen und der Punkt wo sich die Spreu vom Weizen trennt.

Erfahrung sagt mir, wie ich es mache um schnell zu sein. Davon hab ich in all den Jahren ein bischen was angesammelt.
Talent ist die körperliche und geistige Fähigkeit diese Erfahrung immer wieder abzurufen und zu nutzen wo ich sie brauche. Hiervon könnte ich deutlich mehr gebrauchen, denn es gibt Bereiche in die man trotz all der Erfahrung nicht vorstoßen kann. Aber es ist schwer sich diesen Mangel einzugestehen, weswegen man bei Rennen oft Klagen hört daß jemand anderes ja wohl einen technischen Vorteil haben muss, weil er ja viel schneller ist als man selbst. 😏

Also schauen wir uns eine Ideallinie in einer einfachen Rechtskurve an. Hier sehen wir was es bedeutet wenn man davon spricht, die ganze Fahrbahnbreite auszunutzen.

Der Bremspunkt sollte idealerweise dort liegen wo die Räder noch gerade stehen, weil nur hier die volle Bremskraft übertragen werden kann. Am Einlenkpunkt sollte der Bremsvorgang langsam soweit reduziert oder beendet sein daß das Fahrzeug beim Durchfahren der Kurve nicht durch das Bremsmanöver destabilisiert wird und ich den optimalen Grip zur Verfügung habe. Ab hier rollen wir ohne Gas durch die Kurve, denn sowohl Bremsen als auch Gas geben beschäftigt die Räder mit etwas anderem als dem idealen durchfahren der Kurve.

Der Scheitelpunkt (ich werde ab jetzt den englischen Begriff Apex verwenden) sollte möglichst präzise getroffen werden. Wenn ich einen Meter vom Apex entfernt bin ist es unmöglich, den Kurvenausgang perfekt zu treffen. Das Resultat wird sein, daß ich auf der folgenden Geraden deutlich langsamer bin.

Nach dem Apex lässt man sich kontrolliert zum äußeren Rand der Fahrbahn am Kurvenausgang treiben und geht dann so früh wie möglich wieder aufs Gas. Die Lenkbewegungen und auch der Gaseinsatz sollten dabei möglichst weich sein. Durchdrehende Räder und Powerslides sollte ich in jedem Fall vermeiden. Was vielleicht spektakulär aussieht ist definitiv langsamer!

starkes Untersteuern bei diesem Fahrzeug
Das Ziel ist es, die Kurve mit möglichst wenig Lenkeinschlag zu durchfahren, denn jedes bischen Lenkeinschlag bremst das Fahrzeug! Wenn wir beobachten, daß der Lenkeinschlag unserer Vorderräder wesentlich größer ist als der Kurvenradius dieses erfordert, untersteuert unser Fahrzeug mehr oder weniger stark. Das kostet sehr viel Zeit da wir die Kurve nie ideal durchfahren können, es sei denn wir würden so langsam fahren um das Untersteuern auszugleichen. Hier sollten wir also am Setup unseres Fahrzeugs arbeiten. Aber hierzu später etwas mehr.

Da nicht alle Kurven so wie oben mit dem Zirkel gezogen sind und man immer in Betracht ziehen muss, was nach der Kurve kommt, betrachten wir neben der geometrischen Ideallinie (hellblau) eine, die einen schnelleren Kurvenausgang ermöglicht. (dunkelblau).

Hier kann der Bremspunkt später liegen (Merke: wer später bremst ist länger schnell 😀) und auch der Einlenkpunkt liegt entsprechend später. Die Geschwindigkeit bis zum Apex ist geringer. Wir durchfahren die Kurve also langsamer und sicherer.

Der Apex liegt viel später als beim geometrischen Ideal. Schon fast am Anfang der Geraden, was uns ermöglicht viel früher und stärker aufs Gas zu gehen. Der Effekt ist natürlich, eine wesentlich höhere Geschwindigkeit auf der folgenden Geraden. Die Engländer nennen das "slow in, fast out".

Erinnert Ihr Euch noch, wann Ihr Euch zuletzt gewundert habt warum Euer Gegner viel schneller auf der Geraden war, obwohl ihr identisches Material genutzt habt?

Das Fahrzeug vorne im Bild hat die Kurve also vermutlich nicht ideal durchfahren. Egal ob hinter dieser Kurve nun eine Gerade oder eine weitere Kurve folgt.


Hier am Beispiel einer 180°-Kurve wird der Unterschied zwischen der geometrischen Ideallinie (hellblau) und der schnelleren Ideallinie (dunkelblau) noch einmal besonders deutlich. Die hellere Linie folgt der Kurve zwar schön symmetrisch, kann aber erst am Kurvenausgang wieder voll aufs Gas, da die Räder vorher noch viel mehr eingeschlagen sind. Die schnellere Ideallinie bremst wieder etwas später und etwas stärker, lenkt später ein und kann schon viel früher wieder auf's Gas, weswegen er auf der folgenden Gerade eine wesentlich höhere Geschwindigkeit erreicht.

Je langsamer die Kurve, desto größer der Effekt.



Je schneller die Kurve, desto geringer der Effekt. Das sieht man in dieser offenen Kurve. Hier wird zwar wieder die gleiche Technik angewendet, aber die Linien unterscheiden sich nur wenig. Also sind auch die Geschwindigkeit am Kurvenausgang ziemlich ähnlich.

Wenn man den Curb, also die Bahnbegrenzung  am Apex natürlich in die Ideallinie einbeziehen kann, ohne das Auto zu stark zu destabilisieren, kann man die Kurve eventuell noch ein bischen mehr zur Gerade machen.

Wenn nach unserer Kurve keine Gerade folgt, sondern eine weitere Kurve ist es nicht immer ganz so eindeutig, da wir uns manchmal entscheiden, ob wir die nächste oder die folgende Kurve wichtiger ist und die bessere Linie erfordert.

Trotzdem ist die Technik immer die gleiche: Wir versuchen den Lenkeinschlag so gering wie möglich zu halten und die Kurven so gerade wie eben möglich zu durchfahren. Bei diesem Beispiel würde es sich besonders anbieten, den inneren Curb der zweiten Kurve so stark wie möglich einzubeziehen um die Linie so gerade wie möglich zu bekommen.

Da Kurve 2 auch die langsamste der drei Kurven ist und nach Kurve 3 eine Gerade folgt, sollte die Priorität darauf liegen den Apex von Kurve 3 möglichst spät zu legen um so früh wie möglich wieder voll aufs Gas zu können.
Besonders bei einer solchen Serie von aufeinander folgenden Kurven ist es wichtig, einen besonders weichen Fahrstil zu haben. Ruckartige Lenkbewegungen, und zu hartes Bremsen und Beschleunigen bringt das Fahrzeug aus der Balance was Zeit kostet.

Kurveninnere Räder stark entlastet
Wenn das Fahrzeug hier relativ weich abgestimmt ist und sich stark zur Seite neigt, wird es immer mehr Zeit für den Lastwechsel benötigen als ein Fahrzeug welches weniger Seitenneigung hat. Ausserdem wird viel Lenkeinschlag die kurveninneren Räder stark entlasten, was den Grip reduziert. Das Fahrzeug untersteuert, was natürlich langsamer ist.

Mit weniger Lenkeinschlag kann ich die Lastwechsel aber minimieren. Also ist das Ziel auch hier, die Kurven mit dem geringst-möglichen Lenkeinschlag zu durchfahren.

Im nächsten Artikel machen wir uns Gedanken zum Fahrzeugsetup.

3 Kommentare:

  1. Dann weiss ich jetzt was ich exzessiv zu üben habe😜.Werde mir also erstmal verschiedene Kurven Kombinationen aufbauen und üben.

    War wieder sehr schön beschrieben und schöne Pfingsten

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